Geldwäsche: Libanons Notenbankchef blitzt vor Bundesstrafgericht ab (2024)

Geldwäsche: Libanons Notenbankchef blitzt vor Bundesstrafgericht ab (1)

Die Tragweite der Affäre steht in umgekehrtem Verhältnis zu den Informationen, welche die hiesigen Behörden herausgeben. Seit zweieinhalb Jahren führt die Bundesanwaltschaft (BA) ein Strafverfahren wegen qualifizierter Geldwäscherei gegen den amtierenden Präsidenten der libanesischen Notenbank, Riad Salameh. Bekannt wurde der Fall, der inzwischen Ermittlungen in mindestens vier weiteren europäischen Ländern und in Libanon selber ausgelöst hat, durch ein geleaktes Rechtshilfegesuch der Schweiz an Libanon.

Die BA beschränkte sich bisher auf eine sechszeilige Stellungnahme, in der bestätigt wird, dass sie ein Strafverfahren wegen Verdachts auf qualifizierte Geldwäscherei führt, im Zusammenhang mit mutmasslichen Veruntreuungen zum Nachteil der libanesischen Notenbank.

Affäre sorgt für Aufruhr

Ein Entscheid des Bundesstrafgerichts vom vergangenen Oktober lieferte erstmals amtliche Informationen zu der Affäre, die in Libanon für anhaltenden Aufruhr sorgt. Die Richter in Bellinzona lehnten ein Gesuch Salamehs ab, für seine Anwaltskosten in der Schweiz auf die hierzulande gesperrten Gelder zugreifen zu können. Gemäss dem Rechtshilfegesuch hat die Bundesanwaltschaft rund 50 Millionen Dollar gesperrt.

Zwei nun veröffentlichten Entscheiden des Bundesstrafgerichts ist zu entnehmen, dass sich der Notenbanker und sein Bruder Raja beschwerten, die BA gewähre ihnen kein rechtliches Gehör. Und zwar verlangten sie umfassende Einsicht in die Akten. Auch machten die Brüder Salameh geltend, sie seien bisher von der Bundesanwaltschaft nicht einvernommen worden.

Das Bundesstrafgericht lehnte die Einsprachen ab und wies unter anderem darauf hin, dass die Bundesanwaltschaft den Beschuldigten eine Reihe von Informationen habe zukommen lassen, darunter die Protokolle von zwei Befragungen eines Zeugen. Die Beschwerdeführer hätten nicht ausreichend begründet, wieso ihnen eine umfassendere Akteneinsicht zu gewähren sei, bevor sie selber einvernommen würden.

Dass Letztgenanntes noch nicht der Fall war, begründete die BA mit der Komplexität und der internationalen Tragweite der Untersuchung. Die Vortat zur Geldwäscherei sei wahrscheinlich im Ausland begangen worden, weshalb das Verfahren auch von der internationalen Zusammenarbeit abhänge. Hinzu komme die aufwendige Analyse der umfangreichen Unterlagen, die bei den Banken erhoben worden seien.

Konten bei UBS und CS

Dem Rechtshilfegesuch, das in Libanon den Medien zugespielt wurde, ist zu entnehmen, dass die Bundesanwaltschaft die Brüder Salameh verdächtigt, seit 2002 über 300 Millionen Dollar von der libanesischen Notenbank abgezweigt und teilweise oder ganz über die Schweiz gewaschen zu haben. Als Vehikel soll ihnen eine Offshore-Firma auf den Britischen Jungferninseln gedient haben.

Laut dem Rechtshilfegesuch haben sich die Brüder Salameh in der Schweiz einer Reihe von Banken bedient. Der libanesische Notenbankchef hatte demnach unter anderem Konten auf seinen Namen bei der UBS und der Credit Suisse. Auslöser der Strafuntersuchung war dem Vernehmen nach eine Anzeige der Genfer Banque Pictet.

Für politisch exponierte Personen gelten erhöhte Sorgfaltspflichten bei der Bekämpfung der Geldwäscherei. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat inzwischen gegen zwei Banken Enforcementverfahren zur Durchsetzung des Finanzmarktrechts eingeleitet. Um welche Institute es geht, gibt die Aufsichtsbehörde nicht bekannt. Auch zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung will sie sich nicht äussern. Der Schritt sei nach Abklärungen bei gut einem Dutzend Banken sowie nach Kontakten mit Behörden in der Schweiz und im Ausland erfolgt, erklärte ein Finma-Sprecher.

Der 72-jährige Salameh, der seit 1993 an der Spitze der Banque centrale du Liban steht, bestreitet alle Vorwürfe. In seiner Heimat ist der einst hoch gelobte Notenbanker inzwischen zur Hassfigur geworden. Verzweifelte Bankkunden, denen der Zugang zu ihren Konten behördlich verweigert wird, gingen dazu über, ihre Forderungen mit bewaffneten Banküberfällen durchzusetzen. Salameh erklärte kürzlich, er werde sich im kommenden Juli nach drei Jahrzehnten nicht mehr um eine Verlängerung seines Mandats an der Spitze der Notenbank bemühen. Gegen ihn laufen neben dem BA-Verfahren auch Ermittlungen in Libanon sowie in Frankreich, Deutschland, Liechtenstein und Luxemburg.

Entscheide BB.2023.9 und BB.2023.17 des Bundesstrafgerichts vom 15.3.2023.

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