Brexit bedroht Arbeitsplätze der UBS und anderer Banken (2024)

Axel Weber klang entspannt: Was die Konsequenzen für den Finanzplatz London wären, wenn die Briten aus der EU austräten, wurde der Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS und frühere Bundesbankpräsident vergangenen November auf einer Finanzkonferenz in London gefragt. Webers Antwort: Alles halb so schlimm. Großbritannien werde im Brexit-Fall „einen sehr guten Deal“ von der EU bekommen und weiter Zugang zu den europäischen Finanzmärkten haben, versicherte Weber. Der Austritt werde Londons Rolle als Finanzzentrum „nicht untergraben“.

Heute, gut zehn Monate später, sieht man die Dinge bei der UBS deutlich weniger gelassen. Die Briten haben beim EU-Referendum im Juni tatsächlich für den Brexit gestimmt, und das wird wohl Folgen für die Arbeitsplätze an der Themse haben: Bis zu 1500 Stellen könnte seine Bank wegen des britischen EU-Austritts von der Themse abziehen, sagte UBS-Vorstandschef Sergio Ermotti in einem Gespräch mit der japanischen Zeitung Nikkei. „Wir beschäftigen mehr als 5000 Mitarbeiter in London, und wahrscheinlich werden 20 bis 30 Prozent unserer Belegschaft betroffen sein“, erwartet Ermotti.

Auch Lloyds warnt vor Arbeitsplatzabbau

„Wir erwarten, dass London weiterhin ein wichtiges Finanzzentrum sein wird, allerdings vielleicht nicht mehr so wichtig wie heute“, sagte der UBS-Chef. Die mit Zahlen versehene Schätzung Ermottis ist der bisher konkreteste Hinweis einer internationalen Großbank seit dem Referendum, dass der Brexit an Europas mit Abstand größtem Finanzplatz Jobs kosten wird. Dabei bezieht die UBS in der Londoner City gerade erst in ein nagelneues Bürogebäude.

Die Äußerungen des UBS-Chefs sind die zweite Warnung binnen weniger Tage: In dieser Woche hat schon John Nelson, der Verwaltungsratschef des traditionsreichen Versicherungsmarkts Lloyds of London, darauf hingewiesen, es seien Arbeitsplatzverlagerungen notwendig, wenn Großbritannien durch den Brexit den freien Zugang zum EU-Binnemarkt verliere. Vor dem Referendum hatte Lloyds in einer Studie prognostiziert, in der britischen Hauptstadt wären durch den Austritt bis zu 34.000 Arbeitsplätze im Versicherungsgeschäft gefährdet.

Sorge um den Binnenmarktzugang

Rund 360.000 Banker, Versicherungs- und Fondsmanager arbeiten derzeit in London. Einschließlich spezialisierter Dienstleister wie Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatern bietet der Finanzplatz London derzeit sogar mehr als 700.000 Stellen - und viele von ihnen sind gut bezahlt. Die Finanzbranche ist die wichtigste Exportbranche Großbritanniens. 35 Prozent des gesamten Großkundengeschäfts der Banken in Europa werden bisher in London abgewickelt.

Doch amerikanische und kontinentaleuropäische Geldhäuser, die in der britischen Hauptstadt große Niederlassungen unterhalten, fürchten neue Hürden für ihr wichtiges kontinentaleuropäisches Geschäft: Viele erwarten, dass die Briten mit dem Brexit auch den europäischen Finanzpass (financial passporting) verlieren, der bisher unkomplizierte und reibungslose internationale Geschäfte von London aus ermöglicht.

„Nicht nur für Lloyds, sondern für den Finanzplatz insgesamt, ist es von fundamentaler Bedeutung, dass der Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten bleibt“, mahnte der Lloyds-Manager Nelson. Auch Großbanken wie die Deutsche Bank, die Bank of America, Goldman Sachs und JP Morgan haben mehr oder weniger deutlich mit Arbeitsplatzverlagerungen gedroht.

Ein Hoffnungswert ist, dass die Banken über die Drittstaatenregelung der EU-Richtlinie für den Wertpapierhandel (Mifid) zumindest einen Teil ihres Geschäfts jenseits des Ärmelkanals weiterhin von London aus abwickeln können. Aber auch bei dieser Ausweichlösung zum Finanzpass gibt es viele offene Fragen. Vorerst bleibt den Finanzunternehmen in London deshalb nichts anderes übrig, als abzuwarten.

Erwartet wird, dass mehrere Jahre vergehen werden, bevor klar ist, wie die neuen Spielregeln für Finanzgeschäfte zwischen Großbritannien und der EU aussehen. Bisher steht noch nicht einmal fest, wann die schwierigen Austrittsverhandlungen zwischen London und Brüssel beginnen werden.

UBS GROUP N

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Die Konkurrenz wittert schon ihre Chance im Standortwettbewerb. Andere Finanzplätze, allen voran Frankfurt, Paris oder Dublin, hoffen auf neue Arbeitsplätze, wenn die Geldbranche gezwungen sein sollte, Teile ihres kontinentaleuropäischen Geschäfts aus Großbritannien wegzuverlagern. „Frankfurt wird Londons Zugang nach Europa werden“, sagte Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, als er im August auf einer Werbetour in London für den heimischen Finanzplatz die Trommel rührte. In Frankfurt zählt die Branche bisher rund 63.000 Beschäftigte. Optimisten hoffen, dass als Folge des britischen EU-Austritts zehntausend oder mehr Banker von der Themse an den Main umziehen werden.

In Großbritannien wachsen angesichts der ausländischen Begehrlichkeiten die Sorgen um die Zukunft der wichtigsten Wirtschaftsbranche des Landes. Vergangene Woche preschte überraschend der CBI, der führende britische Wirtschaftsverband, vor. Carolyn Fairbairn, die Generaldirektorin des CBI, forderte Steuererleichterungen für die Banken und warb ziemlich unverhohlen für eine laxere Regulierung: Die britische Bankenaufsicht sollte „wirklich der Wettbewerbsfähigkeit Priorität geben“, empfahl die Wirtschaftslobbyistin.

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Video: reuters

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